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Die „ungeschriebenen Gesetze des Radsports“ haben sich im Laufe der Geschichte des Straßenradsports herausgebildet. Die Strapazen langer Einzel- oder Etappenrennen lassen es nicht zu, dass sich ein Einzelsportler auf Dauer durchsetzen kann, ohne die Gemeinschaft des Fahrerfeldes und seine Gesetze zu akzeptieren.[1]

Bei diesen Regeln handelt es sich in erster Linie um Regeln, die den Ablauf eines Radrennens entscheidend mitbestimmen, die aber nicht wie bspw. die Spielregeln in den Ballsportarten schriftlich fixiert wurden – es handelt sich nicht vorwiegend um moralische Regeln oder eine Art Ehrenkodex.

Verstöße gegen diese ungeschriebene Gesetze werden individuell oder teamübergreifend geahndet. Allerdings sind die „Strafen“ subtiler, als man gemeinhin denken mag: Sicherlich ist es das eine oder andere Mal zur Anwendung roher Gewalt gekommen – doch in den allermeisten Fällen helfen andere Maßnahmen, wie sie im Abschnitt „Sanktionen“ beschrieben werden.

Ungeschriebene Gesetze im Detail[]

Es ist üblich, Fahrer in dem Maße am Erfolg zu beteiligen, wie sie dazu beigetragen haben:

  • Wenn der Führende im Gesamtklassement einer Rundfahrt zusammen mit (einem) anderen Fahrer(n) als Ausreißer ins Ziel kommt, überlässt er üblicherweise den/m anderen Fahrer(n) den Sieg.
  • Insbesondere in Fluchtgruppen wird der Austausch von Getränken und anderer Verpflegung unter den Fahrern auch teamübergreifend praktiziert.
  • Ausfall des Mannschaftswagens (wie 1997 bei Telekom) wird durch Hilfestellung durch konkurrierende Teams gehandhabt, obwohl dies nach strenger Auslegung der UCI-Richtlinien nicht zulässig ist.
  • Bei der Tour de France wird in der Regel auf der letzten Etappe nach Paris nicht versucht, dem im Gesamtklassement Führenden noch auf dem letzten Teilstück das Gelbe Trikot zu entreißen, es sei denn, es handelt sich um ein Einzelzeitfahren.

Als unsportlich gelten insbesondere folgende Handlungen:

  • Ausreißversuche während der Verpflegungskontrolle.
  • Ausreißversuche während „Pinkelpausen“ – hier ist auch ungeschriebenes Gesetz, dass die Kameras der begleitenden Fernsehteams ausgeschaltet werden.
  • „Lutschen“ in kleinen Ausreißergruppen – also beständiges Hinterherfahren, ohne Führungsarbeit im Wind zu leisten.
  • Ausnutzung von Stürzen oder Pannen des direkten Kontrahenten in der Gesamtwertung: Um eine sportliche Entscheidung zu ermöglichen, wird gewartet, bis der Fahrer aufschließen kann. [2]

Sanktionen[]

Folgende Sanktionen sind üblich und wirksam:

  • Einen anderen Fahrer „im Wind stehen lassen“ bzw. „im Wind verhungern lassen“: Unternimmt ein Fahrer einen Ausreißversuch, braucht er Mitstreiter. Normalerweise „schicken“ die Teams, die aus unterschiedlichen taktischen Erwägungen an einer Beteiligung an Ausreißergruppen interessiert sind, ihre Fahrer mit in die Ausreißergruppe. Soll ein Fahrer sanktioniert werden, tut man genau dies nicht. Er muss die Flucht allein fortsetzen. Während man normalerweise jedem Solo-Ausreißer seine Chance gibt bzw. das Einholen von Ausreißern, die im Gesamtklassement unwichtig sind, anderen taktischen Zielen unterordnet, wird man in diesem Falle unter allen Umständen den Ausreißer wieder einfangen. Allerdings wird man sich damit Zeit lassen, damit der Schaden für ihn möglichst hoch ist.
  • Einen Fahrer nicht wegkommen lassen: Das ist die andere Variante, den Ausreißererfolg zu unterbinden, man lässt den Fahrer durch konsequentes Nachfahren nicht zur Solo-Flucht kommen.
  • Bei Sprintern: „Einbauen“ eines unliebsamen Fahrers. Es wird darauf geachtet, dass der Fahrer sich in der Sprintvorbereitung nicht „freifahren“ kann, ohne dabei lange Umwege zu gehen.

Entwicklung zu subtilen Sanktionen auch bei Amateuren[]

Die aufgezählten Sanktionen sind im Profi-Radsport heutzutage ausreichend. In den meisten Fällen ist dies aber nicht notwendig, weil im Vorfeld zwischen den sportlichen Leitern und den Team-Kapitänen Einvernehmen erzielt wird – die Angelegenheit wird also teamintern geklärt, bspw. durch Nicht-Nominierung für bestimmte Rennen und dergleichen.

Im Amateur-Radsport finden obige Maßnahmen jedoch noch stärker Anwendung. Oft reichen sie dort auch nicht aus bzw. Fahrer meinen, dass sie nicht ausreichen. Deshalb kann es durchaus zu gröberen Manövern wie dem Ausbremsen vor Kurven oder zu Tätlichkeiten im Rennen bzw. davor und danach kommen.

Im Allgemeinen aber ist jeder Fahrer so auf die Akzeptanz im Feld angewiesen, dass ein konsequentes „Schneiden“ bereits wirksam genug ist. Diese Haltung setzt sich mehr und mehr auch im Amateursport durch.

Weblinks[]

Fußnoten[]

  1. "Merkwürdiger Ehrenkodex der Radprofis", Spiegel Online, 20. Juli 2007
  2. Während der Tour de France 2001 wartete Lance Armstrong bis sein Konkurrent Jan Ullrich wieder aufschließen konnte. Dieser war in einer Abfahrt von der Strecke abgekommen und in einen Bach gestürzt.
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